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Branchenübergreifendes

Bewusstsein

Auch andere Unternehmen haben

erkannt, wie wichtig es ist, pflegen-

de Angehörige zu unterstützen. Zum

Beispiel die Ford-Werke in Köln. „Etwa

2.000 unserer Mitarbeiter sind pfle-

gende Angehörige. Daher hat das The-

ma Angehörigenpflege einen hohen

Stellenwert bei uns“, erklärt Diversity

Manager Volker Ehrentraut. „Wir wol-

len unseren Mitarbeitern die Möglich-

keit geben, weiterhin erfolgreich am

Berufsleben teilzunehmen und ihre

Arbeitskraft erhalten“. Seit Oktober

2016 steht allen Beschäftigten in Ko-

operation mit einem Pflegedienst ein

Pflegeservice zur Verfügung. Vier Stun-

den pro Woche ist ein Experte auf dem

Werksgelände ansprechbar und be-

rät die Beschäftigten beim Ausfüllen

von Pflegegeldanträgen oder der Su-

che nach einer Pflegekraft. Zusätzlich

können die Beschäftigten Pflegekurse

besuchen oder eine Beratung im

häuslichen Umfeld in Anspruch neh-

men. Alle Angebote werden deutsch-

landweit über alle Ford Standorte

verteilt an elf verschiedenen Orten

angeboten, so dass jeder Beschäf-

tigte möglichst leicht Zugang zu dem

Pflegeservice hat.

Die LVM Versicherung in Münster un-

terstützt ihre rund 3.600 Mitarbeiter

seit 2011 auch im Bereich Angehö-

rigenpflege. „Uns war schnell klar,

dass das Thema Vereinbarkeit nicht

nur Kinder und Beruf betrifft, sondern

auch Pflege“, so Anke Holste, Be-

reichsleiterin Gesundheit und Sozia-

les bei der LVM Direktion in Münster.

Für das nötige Expertenwissen sorgt

die Kooperation zwischen interner

Sozialberatung mit einem externen

Pflegedienst.

Einmal imMonat ist eine Pflegebera-

terin im Unternehmen, klärt Anliegen

und bietet auch Hausbesuche an.

„Ein Mitarbeiter kommt entlasteter zur

Arbeit, wenn er sich nicht rund um die

Uhr um die Angelegenheiten seiner

pflegebedürftigen Angehörigen sor-

gen muss. Das macht ihn auch moti-

vierter und konzentrierter im Beruf“,

beschreibt Anke Holste die Motivation

des Unternehmens, das seit 2008 mit

dem Zertifikat „Audit berufundfami-

lie“ der gemeinnützigen Hertie-Stif-

tung als familienfreundliches Unter-

nehmen ausgezeichnet ist.

Von Stella Cornelius-Koch,

Journalistin, Bremen

Drei Möglichkeiten der Freistellung

Um Familie, Pflege und Job besser vereinbaren können, hat das Bundes-

ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Pflegezeit- und

Familienpflegezeitgesetz verschiedene Regelungen vorgesehen:

1. Pflegeunterstützungsgeld:

Bei

einem akut auftretenden Pflege-

fall können Sie eine Auszeit von

bis zu zehn Tagen von der Arbeit

nehmen. In dieser Zeit erhalten Sie

dafür über die Pflegeversicherung

des Pflegebedürftigen eine Lohn-

ersatzleistung (Pflegeunterstüt-

zungsgeld) in Höhe von 90 Prozent

Ihres Nettogehalts.

2. Pflegezeit:

Dauert die häusliche

Pflege Ihres Angehörigen (mindes-

tens Pflegegrad 1) länger, können

Sie bis zu sechs Monate ganz oder

teilweise aus dem Job aussteigen.

In der letzten Lebensphase Ihres

Angehörigen können Sie bis zu drei

Monate ihre Arbeitszeit reduzieren

oder sich eine Auszeit nehmen. In

beiden Fällen besteht Anspruch

auf ein zinsloses Darlehen, um den

Verdienstausfall in dieser Zeit ab-

zufedern. Das Darlehen können Sie

direkt beim Bundesamt für Familie

und zivilgesellschaftliche Angele-

genheiten (BAFzA) beantragen.

3. Familienpflegezeit:

Wenn Sie

sich über einen längeren Zeitraum

um einen pflegebedürftigen na-

hen Angehörigen (mindestens

Pflegegrad 1) in häuslicher Umge-

bung kümmern müssen, können

Sie Ihre Arbeitszeit auf bis zu 15

Stunden pro Woche für die Dauer

von bis zu 24 Monaten reduzie-

ren. Auch in dieser Zeit können

Sie ein zinsloses Darlehen in An-

spruch nehmen.

Ihr Recht in Kleinbetrieben

Ein Rechtsanspruch auf Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz ge-

genüber Arbeitgebern besteht nur in Betrieben mit mehr als 15 Be-

schäftigten, bei Freistellungen nach dem Familienpflegezeitgesetz

in Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten. Wenn Sie in einem

kleineren Betrieb arbeiten, können Sie mit Ihrem Arbeitgeber ein-

vernehmlich eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz oder Fa-

milienpflegezeitgesetz vereinbaren.

§

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Magazin für pflegende Angehörige