Ergebnisse im sportbezogenen Interventionsansatz
Im Mittelpunkt der sportbezogenen Intervention stand die Motivierung von Schülerinnen und Schülern unter besonderer Betonung des Körperlichen im Sportunterricht.
Die Maßnahme beinhaltete eine Betreuung während des Schuljahres 2007/2008. An der Sportintervention haben sich insgesamt 6 Lehrerinnen und Lehrer eines Gymnasiums und 4 Lehrerinnen und Lehrer einer Hauptschule beteiligt. Im Gymnasium konnten somit 6 Klassen aus der Sekundarstufe I (ca. 150 Schüler) durch das Projekt betreut werden. In der Hauptschule nahmen alle Schüler (ca. 130) – bis auf die Zehntklässler – an dem Projekt teil. Das Durchschnittsalter lag zu Beginn bei 14 Jahren.
Die Förderbereiche der Sportintervention bezogen sich auf die Lernmotivation und das Sozialklima .
Zur Förderung autonomen Lernens im Sportunterricht wurden zwei Strategien eingesetzt: aufgabenorientiertes und prozessorientiertes Lernen.
Lernmotivation
- Individuelle Bezugsnormorientierung
- Transparenz von Anforderungen und Bewertungen
- Förderung von Lernbereitschaft und Lernfreude
- Realistische Anspruchsniveausetzung
- Problemstrategien entwickeln
- Umgang mit Stress
Soziales Klima
- Förderung sozialer Kompetenzen
- Positives Klassen- und Unterrichtsklima
- Kooperative Lernformen
- Konflikt- und Diskursfähigkeit
- Verantwortungsübernahme
Ein besonderer Schwerpunkt des Förderansatzes lag auf dem Umgang mit leistungsängstlichen Schülern, die die Anforderungen im Sportunterricht nicht erfüllen können. Die Förderung der eigenen Effizienz durch persönliche Erfolgserlebnisse und gleichzeitige Entwicklung selbstregulatorischer Kompetenzen sollte hier Abhilfe schaffen.
Ein weiteres typisches und hier bearbeitetes Problemfeld ist die Motivation von Schülern, die dem Sportunterricht dadurch fern bleiben, indem sie „auf der Bank sitzen“.
Alle Einzelbausteine ergänzten sich und wurden in praktischen Übungsteilen miteinander verbunden. Einen Schwerpunkt bildeten dabei Maßnahmen, die die erlebte Autonomie im Sportunterricht in den Mittelpunkt stellten, da Erfahrungen von Selbstbestimmung verbunden sind mit der Selbstwirksamkeit als Überzeugung, das eigene Leben aktiv gestalten und Schwierigkeiten aus eigener Kraft meistern zu können.
Durch Freiräume für Selbstbestimmung mit Angeboten von Handlungsoptionen, einem Klima sozialer Aufgeschlossenheit und Möglichkeiten für Erfolgserfahrungen wurde die Umsetzung von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen in erfolgreiches Verhalten gezielt unterstützt. Dadurch sollte Selbstwirksamkeit stabilisiert und gestärkt werden. Gefördert werden sollten auch Teamfähigkeit, ein angenehmes soziales Klima und nicht zuletzt Lern- und Leistungsbereitschaft als wichtige Grundlagen erfolgreichen Lernens im Sportunterricht. Überdies sind sie auch förderlich für die gesundheitliche Entwicklung und protektiv gegenüber Unfällen, da Stress und Belastungen deutlich geringer sind.
Zudem sind Lernanstrengungen eher zu erwarten, wenn Schüler damit eine Verbesserung ihrer subjektiven Lebensqualität assoziieren.
Lernen läuft nicht mechanisch ab, sondern ist begründetes menschliches Handeln. Schüler handeln absichtsvoll und interpretieren ihre Situation, sie setzen sich Ziele und bewerten die Folgen ihrer Handlungen.
Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge sollte Schülern mit dem Ziel der Autonomieförderung zugestanden werden
- auf ganz eigene Weise zu lernen, wobei das Lernen durch Entdecken einen besonderen Rang hat;
- beim Lernen auch Umwege gehen zu dürfen (die sich häufig nur aus der Lehrersicht als solche erweisen);
- eigene Fragen zu haben, die sie verfolgen möchten und dürfen;
- das eigene Lerntempo - zumindest häufig - bestimmen oder mitbestimmen zu können;
- ihre jeweils eigene Welt, ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse zu haben, die die Schule respektieren muss.
Aufgabenorientiertes Lernen ist dadurch gekennzeichnet, dass die Lernenden sich mit mehr oder weniger offenen Aufgaben auseinandersetzen. Es gibt im Prinzip zwei Aufgabentypen: Kommunikative Aufgaben und Lern – bzw. Bewegungsaufgaben.
Bewegungsaufgaben sind darauf gerichtet, dass die Schüler Kompetenzen erwerben, die sie für die Ausführung bestimmter Sportarten brauchen. Die Ausführung kommunikativer Aufgaben wiederum fördert im Sportunterricht insbesondere die Teamfähigkeit. Hier ist eine handlungsorientierte Absprache zwischen den Schülern notwendig.
Prozessorientiertes Lernen (Förderung der lernstrategischen Kompetenz) bezeichnet ein Lernen, bei dem neben dem 'Was' (der Sportunterricht) gleichrangig das 'Wie' (die Frage, wie bestimmte Sportarten gelernt werden) steht. Lernergebnisse im Bereich des 'Wie' (Wissen, wie man etwas lernt) gelten beim prozessorientierten Lernen genauso als wertvolles Produkt des schulischen Lernens wie Lernergebnisse im Bereich des 'Was'.
Henri Holec hat bereits 1979 folgende Definition von Lernerautonomie formuliert:
“Lernautonomie ist die Fähigkeit, das eigene Lernen selbstverantwortlich in die Hand nehmen zu können”. Von einem autonomen Lernen spricht man, wenn Schüler in die Lage versetzt werden, die zentralen Entscheidungen über ihre Lernprozesse selbst zu treffen. Autonome Schüler entscheiden selbst:
- was sie lernen;
- wie sie vorgehen, um etwas zu lernen;
- welche Materialien sie zum Lernen verwenden;
- ob sie alleine oder mit anderen zusammen lernen;
- welche Hilfsmittel sie verwenden;
- wie sie kontrollieren, ob sie erfolgreich gelernt haben.
Dabei sind Autonomie und Selbstverantwortung eng miteinander verbunden. Wer die Autonomie von Schülern fördern möchte, kann nicht umhin das Bewusstsein der Verantwortung für das eigene Lernen zu stärken. Schüler müssen erfahren und sich bewusst machen, dass nicht primär der Lehrer verantwortlich ist für ihren Erfolg bzw. Misserfolg beim Lernen, sondern dass sie selbst einen wesentlichen Anteil daran haben.
Bei Lernautonomie und Verantwortung für das eigene Lernen geht es um Einstellungen der Schüler, die unterschiedlich stark herausgebildet sein können. So können Persönlichkeitsmerkmale und bevorzugte Lernstile die Möglichkeiten bestimmter Schüler bei der Entfaltung ihrer Autonomie beschränken.
Durch Freiräume für Selbstbestimmung mit Angeboten von Handlungsoptionen, einem Klima sozialer Aufgeschlossenheit und Möglichkeiten für Erfolgserfahrungen soll die Umsetzung von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen in erfolgreiches Verhalten gezielt unterstützt werden. Dadurch sollte Selbstwirksamkeit stabilisiert und gestärkt werden. Teamfähigkeit, ein angenehmes soziales Klima und nicht zuletzt Lern- und Leistungsbereitschaft sind ebenfalls wichtige Grundlagen erfolgreichen Lernens im Sportunterricht, die durch die Intervention gestärkt werden sollten. Überdies sind sie auch förderlich für die gesundheitliche Entwicklung und protektiv gegenüber Unfällen, da Stress und Belastungen deutlich geringer sind.
Nach einem Jahr erfolgreicher Zusammenarbeit konnten folgende Effekte – immer in Bezug zur Kontrollschule - nachgewiesen werden:
sowohl die sportbezogene Selbstwirksamkeit (Beispiel: „Im Sportunterricht fällt es mir leicht, mit neuen und schwierigen Übungen zurechtzukommen.“) als auch die soziale Selbstwirksamkeit (Beispiel: „Auch bei schwierigen Konflikten mit Mitschülern kann ich eine Lösung finden.“) haben sich in den Interventionsschulen bedeutsam positiv entwickelt.
Ebenso kann die Entwicklung der Teamfähigkeit (Beispiel: „Auch mit Schülern, die ich nicht mag, kann ich in einer Mannschaft zusammenspielen.“) als sehr günstig angesehen werden. Insgesamt hat sich das soziale Klima innerhalb der Klassengemeinschaft so gut entwickelt, dass auch hier bedeutsame Unterschiede festgestellt werden können, obwohl zu Beginn des Projektes Schüler eher Probleme berichteten.
Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass alle Indikatoren des Stresserlebens, die vor allem von denjenigen Schülern zu Beginn des Projektes berichtet wurden, die dem Sportunterricht eher ablehnend gegenüberstanden, deutlich zurückgegangen sind. Zum Ende des Projektes nahmen in vielen Klassen alle Schüler wieder am Sportunterricht teil, und es wurde zur Ausnahme, während des Sportunterrichts auf der Bank zu sitzen. Insgesamt war das Projekt sehr erfolgreich, viele Lehrkräfte haben das neue Unterrichtskonzept beibehalten.
Praktische Umsetzung dieses Konzeptes im Sportunterricht
Ein Bewusstsein für die Bedeutung von Erfolgserfahrungen, sozialer Einbindung und Selbstbestimmung sollte zunächst durch Vertrauensübungen und kooperative Bewegungsaufgaben angeregt werden.
Vertrauensübungen sind dadurch gekennzeichnet, dass Schüler in verschiedenen Situationen auf die Unterstützung ihrer Mitschüler angewiesen sind und auf deren Hilfe vertrauen müssen.
Kooperative Bewegungsaufgaben sind nach dem Prinzip „Gemeinsam müssen wir Strategien entwickeln, um überhaupt weiterzukommen!“ strukturiert. Nur so kommen die Schüler zu einer effektiven Aufgabenlösung.
Beispiel: Fangen und Schützen
Es werden an einige Schüler Bälle ausgeteilt.
Alle Schüler laufen frei im Raum und spielen sich die Bälle zu.
Der Fänger hat keinen Ball und versucht, einen Schüler zu fangen. Dabei darf er nur einen der Schüler fangen, der gerade keinen Ball besitzt.
Aufgabe der Schüler ist es also, das Fangen zu verhindern, indem immer rechtzeitig der Schüler einen Ball erhält, der durch den Fänger in Bedrängnis ist.
Variation: Die Anzahl der Bälle reduzieren, bis nur noch ein Ball übrig ist. Das fordert ein „perfektes“ Zusammenspiel aller.
Damit die Schüler die Unterrichtseinheit noch einmal bewusst nachvollziehen können, haben sich sogenannteReflexionsfragen als eine sehr sinnvolle Möglichkeit herausgestellt.
Hier Beispiele für Reflexionsfragen zum Spiel „Fangen und Schützen“
- Wie habt ihr euch gegenseitig geschützt bzw. befreit?
- Wie habt ihr euch verhalten, wenn ihr bedroht wurdet: Warten bis Hilfe kommt oder Hilfe anfordern?
- Wo lagen die Schwierigkeiten beim gegenseitigen Helfen?
Mit dieser Übungsform kann insbesondere die soziale Einbindung – Vertrauen, gegenseitige Unterstützung, Kommunikation – gestärkt werden.
Beispiel: Starke und Schwache unter sich (am Beispiel Fußball)
Die Schüler teilen sich selbst (!!) den Gruppen „stärkere Fußballer“ und „schwächere Fußballer“ zu. Die Gruppen sollten ungefähr gleich groß sein. „Unentschiedene“ werden zugelost. Wichtig ist, dass die Zuteilung freiwillig erfolgt.
3:3 (bis 6:6):
Die Gruppe der „starken Fußballer“ bildet zwei Mannschaften und spielt unter sich.
Die schwächeren Schüler beobachten das Spiel und beschreiben ihre Bedürfnisse und Anforderungen an ein gemeinsames chancengleiches Spiel in gemischten Teams
(Ein Beobachtungsbogen könnte hier zum Einsatz kommen.)
Beispiele für Reflexionsfragen zu diesem Spiel:
- Wie habt ihr das gemacht?
- Welche taktischen Vorgaben wurden verfolgt?
- Wie können schwächere Fußballspieler in ein Team integriert werden, so dass ein hoher Wettbewerbserfolg erzielt werden kann?
In dieser Unterrichtseinheit kann insbesondere die soziale Einbindung (Regeln, Unterschiede akzeptieren, gegenseitige Unterstützung, Kommunikation) und Selbstbestimmung (Entscheidungsfähigkeit, Eigenverantwortung) gestärkt werden.
Neben diesen Zielen werden alle sportartspezifischen motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten angewandt: Technik, Taktik, Kondition, Koordination.
Beispiel: Ich sage dir was du kannst! (geeignet für alle Ballspiele)
Die Schüler gehen paarweise zusammen. Die Paare sollten sich möglichst gut kennen.
Vor der gesamten Gruppe nennen die Schüler die Stärken ihres Partners.
1. Durchgang: Welche Stärken hat dein Partner? Wie gut kennst du ihn wirklich?
2. Durchgang: Einschätzung des Partners in anspruchsvollen Lern- und
Leistungssituationen: „Wenn es darauf ankommt, kannst du ...!“
„Wenn es besonders schwierig wird, bist du ...!“
3. Durchgang: Nun geht es um die gesamt Klasse in Bezug auf Stärken und Schwächen,
wobei der Lehrer die Äußerungen aufgreifen kann, um die Leistungsfähigkeit und die
soziale Bedeutung des Einzelnen in der Klasse herauszustellen.
Die Reflexionsfragen sind bei dieser Übung nicht zwingend erforderlich, da sich die Schüler ja schon gegenseitig Rückmeldung geben.
Diese Übung kann bei allen Unterrichtseinheiten eingesetzt werden. Sie sollte gezielt positive Rückmeldungen über die Leistungsfähigkeit bzw. Erfolgserfahrungen vermitteln. Über die positive Rückmeldung der Mitschüler soll auch das Gefühl der sportlichen Anerkennung und damit der sozialen Einbindung in die Klasse gestärkt werden.
„BanksitzerInnen“ im Sportunterricht
Wer kennt das nicht: Der Sportunterricht ist perfekt vorbereitet und verspricht richtig gut zu werden, ja, wenn alle Schülerinnen und Schüler mitmachen. Leider gestaltet sich die Stunde anders: Wieder sitzen drei bis fünf Schülerinnen und Schüler auf der Bank, wobei die Anzahl je nach Alter und Schulform schwankt. Vor allen Dingen die älteren Mädchen versuchen, im Sportunterricht nicht aktiv mitmachen zu müssen, d.h. hier zeigt sich ein geschlechtsspezifischer Effekt. Grundsätzlich müssen auch Schüler/innen, die während des Sportunterrichts auf der Bank sitzen, vom Lehrer von der Lehrerin beaufsichtigt werden. Die Aufmerksamkeit kann somit nicht uneingeschränkt den aktiv am Sportunterricht teilnehmenden Schülern und Schülerinnen gewidmet werden. Die Banksitzer stören den Sportunterricht, etwa durch undiszipliniertes Verhalten oder sozial abfällige Bemerkungen zu aktiven Schülerinnen und Schülern, so dass sie auch deren Aufmerksamkeit und Konzentration behindern und dadurch Unfälle mit verursachen können. Aus einer Befragung 2008 lassen sich drei Hauptgründe ableiten (zum Fragebogen):
- Leistungsangst bzw. das Gefühl der Überforderung
- Scham bzw. Angst vor Blamagen
- Langeweile bzw. fehlende Einsatzbereitschaft.
Wie lassen sich Banksitzer wieder in den Sportunterricht integrieren?
Zum Thema „Angst“ hat sich gezeigt, dass das Verbalisieren der Angst ein sehr gutes Mittel darstellt, um die Angst abzubauen. In Form von Gesprächen oder konkreten Fragen wie „Wann tritt die Angst auf?“ oder „Beschreibe die Situation, in der du Angst bekommst“ oder „Wie äußert sich die Angst?“ kommt man den Angst auslösenden Situationen auf die Spur. Ganz wichtig ist es, die Angst – so unbegründet sie auch für die Sportlehrkraft sein mag – ernst zu nehmen und nicht zu ignorieren. Nicht jede Sportlehrkraft hat aber die Zeit und die Ruhe, sich jedem Schüler so intensiv zu widmen. Hier empfiehlt sich, Klassenkameraden oder Freunde mit ein zu beziehen.
Als gleichfalls sehr wirksam hat sich die Methode des Vorbilds erwiesen: Ein anderer Schüler, eine Schülerin mit ähnlichen Problemen kann von Erfahrungen berichten. Durch eine Lösung im Team - auch unabhängig von der Lehrkraft - kann die Klassengemeinschaft gestärkt werden. Viele Schülerinnen und Schüler, die helfen woll-ten, schlagen Lösungen vor, die auch für die Lehrkraft interessant sind.
Natürlich wird aus dem leistungsängstlichen Schüler, der Schülerin nicht gleich ein Spitzensportler. Aber auf jeden Fall erhalten sie Hilfen an die Hand, wie mit Angst umgegangen werden kann. Das „Rumdrücken“ auf der Bank fällt weg.
Was aber ist mit Schülerinnen und Schülern, die aus Lustlosigkeit auf der Bank sitzen? Auch sie geben sehr differenziert Auskunft über die den Sportunterricht. Nimmt man die Antworten ernst, kann man das Potenzial, das ohne Zweifel in ihnen steckt, zu Gunsten des Sportunterrichts nutzen. So kann zum Beispiel jedem Schüler, jeder Schülerin von der Bank eine eigene kleine Aufgabe für eine kommende Sportstunde gegeben werden, so z.B. für das Aufwärmen, was nicht länger als 5-10 Minuten dauern sollte. Oder er/sie bereitet sich darauf vor, den Mitschülern eine bestimmte Aufgabe zu vermitteln (z.B. das Pritschen im Volleyball oder den Korbleger beim Basketball usw. – je nachdem, was der Schüler oder die Schülerin gut kann oder sich zutraut). Damit sich der Schüler, die Schülerin auf Dauer wieder in den Sportunterricht integriert, kommt es darauf an, dass von den Mitschülerinnen und Mitschülern eine Rückmeldung über die gezeigte Leistung gegeben wird. Bei dieser Methode, die Schülerinnen und Schüler von der Bank zu holen, ist es ganz wichtig, dass Sie sich als Lehrkraft während der „Übungsstunde“ wirklich zurückhalten. Der Schüler, die Schülerin muss eigene Erfahrungen machen – auch wenn die Stunde zunächst nicht reibungsfrei läuft und scheinbar das „Chaos“ ausbricht. Gehören Sie zu den Lehrkräften, denen es schwer fällt dies zu tolerieren? Einen Versuch lohnt es.
Die Erfahrungen haben gezeigt, dass sich auch schwierige Klassen zusammenraufen und konstruktiv mit dem vermeintlichen „Chaos“ umgehen lernen. Wichtig ist die Rückmeldung fünf Minuten vor Ende der Stunde, an der alle Schülerinnen und Schüler teilnehmen sollten. Diejenigen, die eine kleine Aufgabe vorgestellt haben, machen hier die Erfahrung, dass sie Teil des Sportunterrichts sind und dadurch Qualität und Spaß maßgeblich mitbestimmen können. Soziale Eingebundenheit, Anerkennung, aber auch Kritik durch andere, Rücksichtnahme und Perspektivenübernahme sind entscheidende Elemente, die den Sportunterricht attraktiv machen.
Im Focus steht der Umgang mit leistungsängstlichen Schülerinnen und Schülern, die die Anforderungen im Sportunterricht nicht erfüllen können. Die Förderung der eigenen Sportkompetenz durch persönliche Erfolgserlebnisse und gleichzeitige Entwicklung selbstregulatorischer Fertigkeiten soll der Leistungsangst entgegenwirken. Der Schwerpunkt liegt auf Maßnahmen, die die erlebte Autonomie im Sportunterricht in den Mittelpunkt stellen, wobei zentrale Erfahrungen von Selbstbestimmung immer auch verbunden sind mit der Selbstwirksamkeit als Überzeugung, das eigene Leben aktiv gestalten und Schwierigkeiten aus eigener Kraft meistern zu können.
Durch Freiräume für Selbstbestimmung mit Angeboten von Handlungsoptionen, einem Klima sozialer Aufgeschlossenheit und Möglichkeiten für Erfolgserfahrungen wird die Umsetzung von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen in erfolgreiches Verhalten gezielt unterstützt. Dadurch soll Selbstwirksamkeit stabilisiert und gestärkt werden. Gefördert werden soll auch Teamfähigkeit, ein angenehmes soziales Klima und nicht zuletzt Lern- und Leistungsbereitschaft als wichtige Grundlagen erfolgreichen Lernens im Sportunterricht. Überdies sind sie auch förderlich für die gesundheitliche Entwicklung und wirken unfallreduzierend, da Stress und Belastungen deutlich geringer sind.
Beispiel Aufgabenblatt: Mein Favorit im Sportunterricht
Das Aufstellen und Einhalten von Regeln, die gemeinsam mit den Schülern erarbeitet werden, zielen auf die Akzeptanz und den produktiven Umgang mit unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen.
Es gibt unterschiedliche Arten von Regeln:
- konstitutive Regeln: festgeschriebenes Regelwerk
- moralische Regeln: informelle Verhaltensregeln, Fairplay-Festlegung
- strategische Regeln: taktische Absprachen, Deckungsvarianten
Beispiele für den Bereich moralischer Regeln:
- Wenn jemand etwas sagt, dann „ruhen“ die Geräte“!
- Die Schüler arbeiten an der gestellten Aufgabe.
- Die Schüler unterstützen und ermutigen sich gegenseitig.
- Die Schüler verhalten sich rücksichtsvoll und fair ihren Mitschülern gegenüber.
- Die Schüler übernehmen ihre Aufgabe und Rolle „aktiv“.
- Die Schüler übernehmen Verantwortung.
Im Sportunterricht umfasst das kompetente Sozialverhalten zwei Bereiche:
1. Soziale Kompetenzen, die das Unterrichts- und Klassenklima mitbestimmen
zum Beispiel
- Einhalten von Klassenregeln
- Verantwortung und Mitbestimmung
- Aggressionskontrolle
- Perspektivenübernahme
2. Nutzung und Umsetzung von Methoden des kooperativen Lernens bei der Erarbeitung themenspezifischer Bewegungsinhalte
Diese beiden Bereiche werden unabhängig von einander bewertet und fließen in die Gesamtnote mit ein. Darüber hinaus gibt es einen dritten Bereich – die Präsentation der Leistung - , der ebenfalls die Gesamtnote beeinflusst.
Allen Schülern werden rechtzeitig zu Beginn einer Sporteinheit sowohl der Zeitpunkt der Leistungsüberprüfung, als auch die Inhalte bekannt gegeben. Bewährt haben sich dafür Transparenzpapiere, die den Schülern ausgeteilt werden.
Die Schüler werden nach objektiven (die Leistung selbst), sozialen (Sozialverhalten während der Unterrichtseinheit) und relativen (Leistungsverbesserung) Kriterien bewertet. Innerhalb des kompetenten Sozialverhaltens erhalten die einzelnen Schüler auch durch eine Fremdbeurteilung bzw. Fremdbeobachtung eine Rückmeldung über die eigenen Leistungsfortschritte.
Dies geschieht nach folgendem Prinzip: Jedem Schüler wird per Zufall ein anderer Schüler „zugeteilt“. Für bestimmte Unterrichtseinheiten (z.B. Handballspiel über das ganze Feld mit einer kompletten Mannschaft) wird ein Beurteilungsbogen entworfen, der sowohl die erlernten Bewegungselemente (Drippeln, Passen, Fangen usw.) als auch soziale Verhaltensmuster (Ball abgeben, Fairness, Regelanerkennung usw.) enthält.
Der zugeteilte Schüler beobachtet vom Rand das Spiel und notiert (durch Striche) das Gesehene. Danach wird das Beobachtete mit den Spielern besprochen. Anschließend wird gewechselt.
Darüber hinaus ist es auch wichtig, die Selbsteinschätzung zu fördern. Der Einsatz von Selbsteinschätzungsbogen hat das Ziel zu lernen, die eigene Leistung realistisch zu beurteilen. Die Bögen werden ausgewertet und mit den Schülern besprochen.
Bisher lieferte die Ursachenforschung schon viele Informationen zu den Hintergründen von Sportunfällen. Wir wissen, in welchen Sportarten (große Ballspiele) und bei welchen Tätigkeiten im Sportunterricht (Fangen/Annehmen des Balles) die meisten Unfälle passieren. Bekannt war auch, dass sich vor allem die sportlichen Schüler, die gute bis sehr gute Sportnoten erhalten, bei schon häufig absolvierten Übungen verletzen.
Welche Hinweise ergaben sich nun aus der Befragung zum Zusammenhang von Sportunfällen und personenbezogenen Merkmalen?
- Schüler, die von mindestens einem Sportunfall berichteten, zeigten einen deutlich höheren Grad an Impulsivität und Abenteuerlust (sensation seeking). Demgegenüber stehen geringe Werte bei der Ärgerkontrolle. Dies macht deutlich, dass die Schüler, die von Unfällen betroffen sind, offensichtlich eher temperamentvolle Schüler sind, die bei Konflikten eher überreagieren.
- Im Unterschied zum Unfallgeschehen außerhalb des Sportunterrichts sind im Schulsport bei den Schulumweltmerkmalen der wahrgenommene Leistungsdruck und die Fürsorglichkeit der Lehrer von Bedeutung. Je höher der Leistungsdruck und je niedriger die Lehrerfürsorglichkeit, desto höher die Unfallwahrscheinlichkeit.
- Es zeigten sich keine signifikanten Effekte in Abhängigkeit von Schulform und Geschlechtszugehörigkeit.
Von Seiten der Sportlehrer werden an Schulen mit hohem Unfallgeschehen häufiger Problemverhalten und am Sport nicht teilnehmende Schüler "auf der Bank" als ungünstige Rahmenbedingungen angegeben.
Schlussfolgerung
Stärker als bisher sollte im Sportunterricht deshalb die Schülerpersönlichkeit mit ihren spezifischen Persönlichkeitsmerkmalen Beachtung finden und die sozialen Rahmenbedingungen dahingehend beeinflusst werden, dass Schüler lernen, ihr Temperament im Zaum zu halten und Konflikte friedlich zu lösen.
Als Schutzfaktor erweist sich eine auf den Sportunterricht bezogene Selbstwirksamkeit: SchülerInnen mit einer großen Zuversicht, die im Sportunterricht gestellten Anforderungen bewältigen zu können, tragen ein geringeres Risiko als Schüler, die sich als weniger kompetent im Schulsport einschätzen. Deshalb gilt es Motivation und körperliche Voraussetzungen der leistungsschwächeren SchülerInnen zu steigern und zugleich bei den leistungsstarken SchülerInnen ein an die Bedingungen des Schulsports angepasstes Risikoverhalten zu erzielen.